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Die Deutsch-Ungarische
Gesellschaft e. V. (DUG) -
eine tragfähige Brücke
zwischen den Völkern!
VORTRAG am 27.02.2012 (Berlin)
Die diplomatischen Kontakte mit den Osmanen während des ungarisch-siebenbürgischen Rákóczi-Freiheitskampfes (1703–1711)
Referent: Dr. Sándor PAPP (Geschichtswissenschaftler für die Frühe Neuzeit am Historischen Institut der Universität Szeged)
Ort: Bibliotheksraum der Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer von Kommunismus/Stalinismus, Nikolaikirchplatz 5-7, 10117 Berlin-Mitte
Datum/Uhrzeit: Montag, 27.02.2012, 18.00 Uhr
Mit seinem Vortrag will der Referent die verständlicherweise "verschleierten" Kontakte der sich im Rákóczi-Aufstand zusammenfindenden revoltierenden siebenbürgisch-ungarischen Stände darstellen. Schließlich war der gegen die Habsburger Vorherrschaft gerichtete Aufstand nach dem Wiener Rechtsverständnis schon an sich ein Hochverrat (Siebenbürgen war seit der Vertreibung der Osmanen dem Habsburgerreich angegliedert), um so mehr, als sich die Revolte in einer Zeit entwickelte, in der sich Habsburg erheblichem Druck eines seiner Erzfeinde, des französischen Königreiches, ausgesetzt sah (Stichwort: Spanischer Erbfolgekrieg) und die Osmanen als potentiell Verbündete des französischen Königs in der Lage waren, im Süden der Hammer zu sein, der das gegen den französischen Amboß gepreßte Habsburg weichklopfen konnte: Damit rückte für die Osmanen das Pflücken des "Goldenen Apfels" [die Eroberung;Wiens] zwar noch nicht wieder in Reichweite, aber ihre schmachvolle Vertreibung aus Ungarn und vom nördlichen Balkan mit dem Frieden von Karlowitz 1699 ließ sie vielleicht den einen oder anderen Prestigegewinn für erstrebenswert halten.
Vor diesem Hintergrund ist einsehbar, daß sich die ungarische Fachliteratur bisher kaum mit dem Verhältnis der (siebenbürgisch-ungarischen) Freiheitskämpfer zur Hohen Pforte befaßt hat, zumal es nicht in die offizielle ungarische Geschichtsschreibung paßt, daß die über einen Zeitraum von 150 Jahren herrschende, nunmehr ehemalige Besatzungsmacht, kaum daß sie aus dem Ungarnland vertrieben war, plötzlich willkommen war, den Freiheitskampf gegen Habsburg zu unterstützen, zumindest (mit ihren eigenen Hintergedanken) bereit war, sich gegen Habsburgs Interessen instrumentalisieren zu lassen.
In seinem Vortrag will der Referent die folgenden Fragen behandeln:
1. Wann nahmen die aufständischen Stände Beziehungen zu den Osmanen auf?
2. War es eine direkte Kontaktaufnahme mit der Hohen Pforte oder nur der Versuch, mit den Paschas im Grenzgebiet in Kontakt zu kommen?
3. Wann begannen direkte diplomatische Beziehungen? Zu welchem Zweck, auf welche Weise, auf welcher Stufe?
Was war nun die Triebfeder für Rákóczi, Kontakte zu den Osmanen zu knüpfen? Mit der Wahl auf dem ungarischen Reichstag am 20. September 1705 zum Fürsten von Ungarn, womit die Versammlung deutlich machte, daß sie die Zugehörigkeit Ungarns zum Habsburgerreich anzuerkennen nicht bereit war, war Rákóczi ein amtierendes Staatsoberhaupt (Regent), wie es der Titel Fürst deutlich machte (auch wenn er die Annahme der Königskrone abgelehnt hatte). Aber erkannte man seine staatsrechtliche Stellung auch international an (über die Ablehnung seitens der Habsburger machte er sich keine Illusionen)? Für den aufständischen Fürsten Ferenc II. Rákóczi ging es deshalb vor allem darum zu wissen, ob die Hohe Pforte eine feierliche (offizielle) Gesandtschaft aus Ungarn empfangen würde. Denn was nach einem Austausch bloßer Freundlichkeiten hätte ausschauen können oder nach einer Normalisierung des Verhältnisses der Ungarn zur ehemaligen Besatzungsmacht, das hatte in Wirklichkeit und vor allem eine hohe staatsrechtliche Bedeutung für Fürst Rákóczi, der wegen des gegen ihn von Habsburg verhängten Todesurteils ein Staatsfeind für den Wiener Kaiser war: Es ging um die Frage, ob eine damals wichtige ausländische Macht, wenn nicht gar Großmacht die Souveränität der aufständischen Gebiete und die Legitimität von Rákóczis Fürstenwürde anerkannte (er konnte mit dem Interesse der Osmanen rechnen, wie es schon 1528 im Friedensvertrag des Sultans Süleyman I. mit János Zápolya zum Ausdruck kam, als die eigentliche Stoßrichtung die langfristige Schwächung Habsburgs durch ein erstarkendes Siebenbürgen war; zudem hatten Eigeninteressen der siebenbürgischen Fürsten schon mehrfach Kriege gegen Habsburg ausgelöst; auch hatten die Osmanen im Frieden von Karlowitz ihren unmittelbaren territorialen Einfluß verloren, den sie politisch vielleicht gern mit einem Fuß in der Hintertür Siebenbürgens kompensiert hätten).
Daß zwar der osmanische Sultan 10.000 Soldaten in Aussicht stellte, aber Rákóczis Kuruzzentruppen trotz der von Frankreich gewährten finanziellen und beratenden Hilfe letztlich eine weitgehend ungeübte und schlecht ausgerüstete Freiwilligenarmee waren und diese 1708 bei Trentschin von den Habsburgern vernichtend geschlagen wurde (was gegen Rákóczis Willen 1711 zum Frieden von Sathmar führte), ließ den Fürsten in Paris zum französischen Staatspensionär von König Ludwigs XIV. Gnaden werden (1713-1717), bevor er die restlichen 18 Jahre seines Lebens als Exilant bis zu seinem Tode 1735 im osmanischen Tekirdag (ungar. Rodostó) verbrachte.
(K.R.)
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VORTRAG am 05.03.2012 (Berlin)
Warum, weshalb, wieso: Die Zwei-Drittel- (oder auch Kardinal-)Gesetze in Ungarn und ihre "Ewigkeitsgarantie" – Die Frage nach dem Sinn dieser Gesetze und die Untersuchung der an ihnen geübten Kritik
Referent: Zoltán KISZELLY (ungarischer Politologe und Dozent an der János-Kodolány-Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Budapest, sowie Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent in der Politikforschung der Századvég-Stiftung, ebenfalls Budapest)
Ort: Bibliotheksraum der Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Kommunismus/Stalinismus, Nikolaikirchplatz 5-7, 10178 BERLIN-MITTE
Datum/Uhrzeit: Montag, 05.03.2012, 18.00 Uhr
In der Transformationszeit herrschte tiefes Mißtrauen unter den Parteien; wohl keiner der Befürworter des ungarischen Systemwechsels war sich bei den Verhandlungen am Runden Tisch sicher, ob nicht die Kommunisten sogar in freien Wahlen die "Wende rückwärts" schaffen und dann das alte Herrschaftssystem wieder installieren würden. Zur Abwehr dessen bot sich an, einige wesentliche Fragen in Gesetzen zu verabschieden, zu deren Änderung oder Aufhebung es einer Zwei-Drittel-Mehrheit bedurfte, wobei die Gesetze durchaus unter dem Vorbehalt einer späteren, zwischen den Parteien einvernehmlich zu erzielenden Änderung/Anpassung standen: Sie waren wie Korsettstangen, die den Übergang des Landes in einen demokratischen Rechtsstaat, in eine parlamentarische Demokratie westlicher Prägung stützen und diesen Prozeß unumkehrbar machen sollten, ja im Erfolgsfalle sich selbst überflüssig machen würden.
Gerade wegen dieser Zielsetzung sollten die Bestimmungen der Zwei-Drittel-Gesetze mit ihrem Übergangscharakter nicht Teil der in breitem Konsens am "Runden Tisch" gefundenen Antworten auf Grundfragen sein, wie sie dann zusammen mit weiteren, im Verfahren der Verfassungsgebung ausgehandelten Lösungen Eingang in die Verfassung fanden (laut der von der gegenwärtigen Regierung ausgegebenen Lesart eine von den Kommunisten "diktierte Verfassung"). Durch die Verabschiedung der Zwei-Drittel-Gesetze als separate Gesetze sollte deutlich werden, daß ihr Zweck und ihre Gültigkeitsdauer gleichermaßen begrenzt waren (ob diese ursprüngliche Absicht auch den heutigen Gesetzgeber leitet, bezweifeln Kritiker, die eher den Aufbau einer "Nebenverfassung" sehen, da es vollkommen willkürlich erscheint, was in der Verfassung und was in einem Kardinalgesetz geregelt wird).
Das hohe Mehrheitserfordernis für die Änderung eines Zwei-Drittel-Gesetzes sollte die politischen Lager zu einem großen Einvernehmen bei punktuellen Novellierungen dieser Bestimmungen zwingen, ohne daß die mühsam die unterschiedlichen Interessen ausbalancierende Verfassung selbst einer Änderung unterzogen werden müßte, wenn der Inhalt jedes Zwei-Drittel-Gesetz deren Bestandteil wäre.
Denn die Väter der Wendezeit-Verfassung hatten – ebenfalls in einem Zwei-Drittel-Gesetz – durchaus noch eine in den aktuellen Diskussionen meist übersehene unterschiedliche Wertigkeit von Verfassung und Zwei-Drittel-Gesetzen festgelegt: Die Verfassung sollte nur mit 4/5-Mehrheit geändert werden dürfen (Hintergund war unter anderem, daß bei ihrer Erarbeitung nicht nur die klassische Situation von Rundtisch-Verhandlungen zwischen den bisherigen Machthabern und der Opposition bestanden hatte, sondern daß als dritter Partner auch die Vertreter der [eigentlich der früheren Regierung zuzurechnenden] Massenorganisationen beteiligt waren, die nunmehr als [Ver-]Mittler der Interessen der mehrheitlich selbst eine politische Neuausrichtung befürwortenden Bevölkerung auftraten, welche weder vom Zeitablauf noch wegen der fehlenden Strukturen in der Lage war, sich über – erst noch zu bildende – Zivilorganisationen oder zivile Interessenvertretungen zu artikulieren).
Die neue Verfassung ("Grundgesetz") kennt diesen Unterschied in der erforderlichen Stimmenzahl bei Änderung der Verfassung oder bei Änderung eines Zwei-Drittel-Gesetzes nicht mehr (obwohl oder gerade weil 2010/2011 eine möglichst alle politischen und gesellschaftlichen Gruppen einschließende und eine breite Diskussion ermöglichende Verfassungsgesetzgebung nicht stattgefunden hat, zum Teil auch, weil große Teile der Opposition alsbald eine Beteiligung verweigerten und die Einbeziehung gesellschaftlicher Gruppen nicht vorgesehen war). So bleibt zu fragen, warum es jetzt außerhalb der ungarischen Verfassung überhaupt noch verfassungsähnliche Gesetze gibt (ohne Antwort auf diese inhaltliche Frage kontert die aktuelle Regierung den damit implizit verbundenen Vorwurf des Mißbrauchs mit dem formalen Hinweis, daß z. B. Österreich auch derartige Gesetze "neben der Verfassung" kenne).
Kritiker bemängeln im übrigen, daß der Ministerpräsident nicht die Möglichkeit wahrgenommen hat, die im Verfassungsgebungsverfahren liegende Chance zu ergreifen, seine nach den Wahlen 2010 mehrfach bekundete Absicht umzusetzen und den durch die ungarische Gesellschaft gehenden und sie unversöhnlich in zwei Lager spaltenden Riß zu überbrücken. Das später verkündete regierungsamtliche Postulat, 2010 habe eine "Revolution an den Wahlurnen" stattgefunden, oder "zwei Drittel der Ungarn" stünden auf Seiten der neuen Regierung, überwindet nicht, sondern zementiert diesen Riß, der sich durch die innenpolitischen Entwicklungen sogar weiter vertieft.
Dieser Riß teilt die ungarische Gesellschaft nicht in zwei Drittel Regierungsanhänger und ein Drittel Gegner. Vielmehr umfaßt jedes Lager etwa eine Hälfte der Bevölkerung, und es kommt auf zwei bis drei Prozent der ihre Stimme abgebenden Wähler an, ob das eine oder das andere Lager die regierungsbildende Mehrheit gewinnt. Der für diese Betrachtung heranzuziehende Stimmenanteil des derzeit regierenden Parteienbündnisses aus FIDESZ und KDNP erreichte im ersten Wahlgang 52,73 Prozent. Im Hinblick auf die Direktmandate und die aus früherer Zeit stammende Bestimmung im Wahlgesetz, die die stärkste Partei bei der Zuteilung der Abgeordnetenmandate bevorzugt, um ihr die Regierungsbildung zu erleichtern, erhielten FIDESZ und KDNP nach dem zweiten Wahlgang und der dann erfolgenden Reststimmenverteilung zusammen 68,13 Prozent der Parlamentssitze (nicht etwa der Wählerstimmen!) und damit die seitdem viel besprochene Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament.
Zwar hatte es in der Vergangenheit schon einmal die rechnerische Mehrheit zu einer Änderung der Verfassung gegeben (die sozialistische MSzP und der liberale SzDSz verfügten in ihrer Koalition von 1994 bis 1998 zusammen ebenfalls über eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Parlamentssitze [genau 72,03 Prozent der Sitze, aber zusammen lediglich 52,72 Prozent Wählerstimmen], hätten allerdings nur mit Unterstützung anderer Parteien die verfassungsändernde Mehrheit von damals noch erforderlichen vier Fünftel der Abgeordneten erreichen können [mit 32,96 Prozent der im ersten Wahlgang abgegebenen gültigen Stimmen bekam die MSzP nach dem zweiten Wahlgang und dem sie zu Lasten der weniger erfolgreichen Parteien bevorteilenden Reststimmenausgleich 54,15 Prozent der Parlamentssitze, dem Koalitionspartner blieben statt der 19,76 Prozent aus dem ersten Wahlgang dann nach dem Reststimmenausgleich nur noch 17,88 Prozent der Parlamentssitze]).
Diese Möglichkeit zur Verfassungsänderung wurde damals nicht genutzt: Zum einen waren keine oder nicht genügend Erfahrungen in der Anwendung der Verfassung und der Zwei-Drittel-Gesetze gesammelt, noch war die Zeit in der politischen Meinungsbildung reif dafür; zudem hätte eine von der MSzP betriebene Änderung – selbst gemildert durch den liberalen Koalitionspartner – die alten Ängste der "Rückwende" geschürt, wahrscheinlich unberechtigterweise, denn die Sozialisten hatten sich sowohl mit der ungarischen Verfassung als auch mit den Zwei-Drittel-Gesetzen längst (und auch zu ihrem Vorteil) arrangiert. Hinzu kam die tiefe Kluft, die sich schon in der Transformationszeit zwischen den politischen Lagern aufgetan und seitdem nur noch auf das Unerbitterlichste vertieft hat und die ein aus besserer Erkenntnis geborenes Aufeinanderzugehen verhindert.
Andererseits erkannte die politische Praxis durchaus das Lähmende, das die Kardinalgesetze wegen ihrer praktischen Unveränderlichkeit ("Ewigkeitsgarantie") auf die Fortentwicklung der ungarischen Rechts-, Polit- und Gesellschaftskultur ausübten (nur soweit durch den EU-Beitritt Ungarns das EU-Recht als höherrangiges Recht Anpassungen erzwang, fanden sich Regierung und Opposition zu diesen begrenzten Maßnahmen bereit). Deshalb hatten FIDESZ und MSzP im letzten Wahlkampf den Wählern versprochen, diese Lähmung zu beenden, zumindest aber die Zahl der Zwei-Drittel-Gesetze zu verringern.
Tatsächlich wurde die Zahl dieser Gesetze ohne Zutun der Opposition sogar noch geringfügig erweitert und die Gesamtzahl inhaltlich nach neuen politischen Kriterien ausgerichtet, denn jetzt verfügt das politisch kongruente Parteien- und Wahlbündnis aus FIDESZ und christlich-demokratischer KDNP, ohne durch Koalitionsabsprachen mit politisch anders ausgerichteten Parteien (wie damals die MSzP in der Koalition mit dem SzDSz) begrenzt zu sein, allein über die Zwei-Drittel-Mehrheit und macht davon auch regen Gebrauch.
Vor diesem Hintergrund sieht der Referent den folgenden Erörterungsbedarf: Was ist der Stand der Kardinalgesetzgebung, welches sind die wichtigsten Änderungen, und was wird – begründet oder unbegründet – kritisiert? Diesen Fragen und weiteren Überlegungen wird sich der Referent in seinen Ausführungen und der anschließenden Diskussion widmen.
(K.R.)
Stand: 15.05.2013
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